viparīta karaṇī – Beine gegen die Wand

viparīta karaṇī lässt sich mit „umgekehrte Stellung“ oder „Umkehrstellung“ übersetzen. In der Yoga-Praxis hört man die Bezeichnung „viparīta karaṇī“ eher selten. Wohl bekannter ist diese Übung unter dem Ausdruck „Halber Schulterstand“ oder „Halbe Kerze“. Es handelt sich jedenfalls um eine Yoga-Übung, die jeder praktizieren kann, und zwar an jedem Ort und zu jeder Zeit. Alles, was ihr dazu benötigt, ist eine Matte, um weicher zu liegen, eine Wand oder Tür und zur Entlastung des Rückens eine Decke oder ein Meditationskissen.

viparīta karaṇī, in der Praxis eher als Asana praktiziert, wird in den Quellentexten unter mudrās eingeordnet – eine Hinweis darauf, dass neben dem Körper, auch die energetische Komponente des Menschen praktisch auf den Kopf gestellt wird. Mond (Kopf-Bereich) und Sonne (Nabel-Bereich) tauschen im Körper ihre Position. Und das bringt durchaus Vorteile. Denn gemäß der Haṭhapradīpikā wird der ganze Nektar, der von der göttlichen Schönheit des Mondes herabtropft, von der Sonne verschluckt. Der Körper ist somit dem Verfall unterworfen. Durch die Umkehrstellung viparīta karaṇī wird dieser Lebensnektar bewahrt und der Alterungsprozess somit verlangsamt. Daher gelten alle Umkehrstellungen im Hatha Yoga als verjüngend.

Dies ist schon einmal ein guter Grund, die Beine regelmäßig hochzulagern. Neben einem langen Leben bringt das regelmäßige Üben von viparīta karaṇī noch so einige Benefits mehr für Körper und Seele, die ich euch nachfolgend vorstellen möchte.

BENEFITS VON VIPARĪTA KARAṆĪ

  • Die Durchblutung wird verbessert, was besonders gut für Menschen ist, die im Alltag viel sitzen oder stehen.
  • Die Übung reduziert Schwellungen in den Füßen, Waden, Beinen.
  • Die hintere Beinmuskulatur wird gedehnt, die heutzutage durch unsere lange Sitztätigkeit oft verkürzt ist.
  • Die Übung hilft bei Schmerzen im unteren Rückenbereich, da sie den Rücken entlastet und ihm somit eine Entspannungspause verschafft.
  • Das Nervensystem wird positiv stimuliert: der Geist wird beruhigt und der Stresspegel reduziert. Insofern mildert viparīta karaṇī Ein- und Durchschlafstörungen.
  • Die Übung wirkt regulierend auf Gefühle und Emotionen.
  • Die Übung mildert Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme und hilft bei Problemen mit Krampfadern

DURCHFÜHRUNG

Für viparīta karaṇī gibt es unterschiedliche Formen der Ausführung. Besonders empfehlenswert ist folgende Version, weil die gesamte Wirbelsäule gedehnt und die Halswirbelsäule nicht belastet wird:

  • Ausgangshaltung ist die Rückenlage. Arme liegen dicht am Körper. Die Handflächen zeigen nach unten. Der Nacken ist lang, die Beine sind gebeugt und an den Bauch gezogen.
  • Nun gleichzeitig Unterarme gegen den Boden drücken und die Beine Richtung Kopf strecken. Rumpf und Beine bilden in der Schräge ungefähr einen rechten Winkel. Hände stützen sich am Darmbeinkamm ab. Der untere Rücken bleibt lang. Das Brustbein strebt zum Kinn. Ellenbogen so nah wie möglich zusammenführen.

Zum Verlassen der Übung die Knie auf die Stirn sinken lassen. Mit Unterarmen und Fingerkuppen am Boden abstützen und behutsam den Rücken Wirbel für Wirbel auf den Boden absinken lassen. Stirn und Knie bleiben währenddessen zusammen. Sobald das Becken aufliegt, den Kopf mit beiden Händen zurück zum Boden legen. Die Halswirbelsäule bleibt so in der Dehnung. Würde der Kopf beim Abrollen der Brustwirbelsäule am Boden bleiben, würde sich der Nacken zusammenziehen. Dies hätte eine Neutralisierung der vorhergehende Dehnung zur Folge. Zum Schluss die gebeugten Beine nacheinander zum Boden gleiten lassen.

Möchte man diese Übung an der Wand praktizieren, so wäre es vorteilhaft, ein Meditationskissen oder eine zusammengefaltete Decke unter das Becken zu platzieren, um den Rücken zu entlasten und eine bessere Dehnung der Wirbelsäule zu ermöglichen. Da es einige Wochen dauern kann, bis sich die Beine ganz an der Wand ausstrecken lassen können, hilft es gerade am Anfang, das Gesäß etwas weiter weg von der Wand zu platzieren.

VIPARĪTA KARAṆĪ AN DER WAND

  • Zur Unterstützung des unteren Rückens und des Kreuzbeins eine gefaltete Decke oder ein Kissen etwa zwei Handflächen von der Wand entfernt auf die Matte platzieren. Diese Unterstützung macht die Übung angenehmer für dich. Du kannst so leichter loslassen und entspannen. Es erleichtert ebenso die Streckung der Beine, insbesondere dann, wenn die hintere Oberschenkelmuskulatur sehr fest ist.
  • Seitlich zur Wand setzen und anschließend zur Seite hinlegen, sodass dein Gesäß die Wand berührt.
  • Beine nach oben schwingen und entlang der Wand ausstrecken. Füße liegen hüftweit auseinander, die Zehen sind zum Körper gerichtet. Die Arme liegen entspannt entweder seitlich neben dem Körper, auf dem Bauch, dem Brustkorb oder hinter dem Kopf, was zusätzlich den Rumpf dehnt.
  • Nun gilt es loszulassen und zu entspannen. Der Körper darf schwer und still am Boden ruhen. Ruhig und gleichmäßig atmen.
  • Fühle dich frei, immer wieder mal eine kleine Pause zu machen und die Position zu verlassen, indem du die Beine entweder grätscht und so zusätzlich die Muskeln der Beininnenseite dehnst oder die Knie beugst und die Fußsohlen zusammenführst (Supta Baddha Konasana). Bei der Variation mit gegrätschten Beinen darauf achten, dass die Kniescheiben nach vorne und nicht zur Seite schauen.
  • Verweile in der Übung für einige entspannende Minuten oder solange, wie du es brauchst und es dir gut tut.

Um aus dieser Übung herauszukommen, ziehst du deine Knie langsam zum Oberkörper, umschließt sie mit deinen Armen und rollst sanft zur Seite. Komme mit Hilfe deiner Hände in den Schneidersitz (Sukhasana) und verweile hier noch bei geschlossenen Augen für ein paar ruhige Atemzüge. Wenn du soweit bist, öffne langsam die Augen und lächle. That’s it!